2008: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes – Platzverweis

Im Rahmen der schriftlichen Verbandsanhörung des Innenministeriums Baden-Württemberg nahm der LFR mit Schreiben vom 30. Mai 2008 Stellung, Auszug:
„… Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg (LFR) beschränkt sich in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes auf die Schaffung einer spezifischen Rechtsgrundlage für den Platzverweis, das Aufenthaltsverbot, den Wohnungsverweis, das Rückkehrverbot und das Annäherungsverbot (§ 27a des Entwurfs).
Der LFR begrüßt, dass die seit Jahren landesweit erfolgreich durchgeführten Maßnahmen gegen häusliche Gewalt – der so genannte Platzverweis – im novellierten Polizeigesetz verankert werden sollen. Dies entspricht einer jahrelangen Forderung des Landesfrauenrats, dass zur Verbesserung des Opferschutzes das polizeiliche Wegweisungsrecht sowie ein Betretungs- und Annäherungsverbot auf eine eigene spezielle Rechtsgrundlage gestellt wird. Damit wird die Ächtung und Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich und im sozialen Nahbereich klar als Aufgabe von Polizei, Justiz und Verwaltung definiert. Durch diese Rechtsgrundlage wird die Rechtssicherheit der von Gewalt bedrohten Personen ebenso wie der polizeilichen Einsatzkräfte gestärkt.

Vorschläge zu Änderungen bzw. Ergänzungen des § 27a
Absatz 3
Als schutzwürdigen Bereich nennt die Gesetzesnovelle „die Wohnung und den unmittelbar angrenzenden Bereich“. Die „Wohnung und der unmittelbar angrenzende Bereich“ gilt auch für das Rückkehrverbot und das Annäherungsverbot. Zum Schutz der von Gewalt bedrohten und betroffenen Personen ist es wichtig, dass dieser Bereich nicht zu eng definiert wird. Deshalb sollte im Gesetz exakter gefasst werden, wieweit dieser Schutzraum für die bedrohte Person geht.
Überwiegend sind es Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind, deshalb muss die weibliche Form ergänzt oder eine neutrale Formulierung (Person) gewählt werden: „zum Schutz `einer an-deren Bewohnerin eines anderen Bewohners oder `dieser Wohnung…..“ oder alternativ „wenn dies zum Schutz `einer verletzten oder von erheblicher Gefahr bedrohten Person` erforderlich ist“.
Absatz 4
In Absatz 4 werden Regelungen für die Maßnahmen zum Opferschutz mit den hierfür vorge-sehenen Fristen aufgeführt.
Die von Gewalt bedrohte Person muss hierbei Initiative ergreifen und Fristen einhalten, um ihre Rechte zu wahren, beispielsweise der fristgemäße Antrag auf Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz. Opfer, die von körperlicher oder psychischer Gewalt betroffen oder bedroht sind, befinden sich in einer Krisensituation und müssen bereits bei der polizeilichen Intervention durch Beratung und Information über rechtliche Bestimmungen unterstützt werden.
Deshalb sollte im Gesetz der Hinweis aufgenommen werden, dass bei der polizeilichen Krisenintervention der Polizeivollzugsdienst verpflichtet ist, die beteiligten Personen mündlich und schriftlich eingehend über das Ablaufschema, die Rechtssituation, und auch über Beratungs- und Interventionsstellen zu informieren. Für die landesweite Umsetzung des Gesetzes sollten hierfür einheitliche Formblätter entwickelt werden.
Es ist die Frage, ob die Verlängerungsfrist für den Platzverweis von zwei Wochen durch die Polizeibehörde in jedem Fall ausreicht, wenn Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt wurden. Es ist zu prüfen, ob den Polizeibehörden und der Justiz in besonderen Fällen im Gesetz eine Option zur Verlängerung dieser Zweiwochenfrist eingeräumt werden sollte, damit der Opferschutz in jedem Fall gewährleistet ist. Es muss außerdem sichergestellt sein, dass die gerichtlichen Entscheidungen in allen Fällen fristgerecht ergehen, damit die betroffenen Frauen nicht erneut in eine Zwangssituation geraten, der sie sich nur durch Flucht ins Frauenhaus entziehen können.
Umsetzung des § 27a
Zur effektiven Umsetzung des §27 des Polizeigesetzes sind aus unserer Sicht zahlreiche flankierende Maßnahmen erforderlich. Es ist zwingend notwendig, dass landesweit ein gleichwertiges Angebot an Beratungs -und Interventionsstellen für Frauen und Männer geschaffen wird, die die betroffenen Frauen und Männer in einer Krisensituation beraten und unterstützen. Insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund haben spezifischen Beratungsbedarf. Der Landesfrauenrat fordert seit Jahren den Erhalt und den Ausbau von Beratungsstellen, zuletzt in seinem Positionspapier 2007 zur Zwangsheirat. Die erfolgreiche Praxis des Platzverweises hat die Zahl der Frauen, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchen, nicht verringert. Deshalb muss weiterhin die Finanzierung der Frauenhäuser durch einen ausreichenden Landeszuschuss gesichert werden.
Interventionsstellen, die Beratung und zugleich Anti-Gewalt-Training für Männer anbieten, leisten wichtige Arbeit, um Gewalt gegen Frauen zu vermindern. Der Landesfrauenrat plädiert für die landesweite Fortführung der Angebote zum Anti-Gewalt–Training, wie sie in einem dreijährigen positiv bewerteten Projekt der Landesstiftung Baden-Württemberg praktiziert wurden.
Der LFR begrüßt die Maßnahmen der Landesregierung zur Fortentwicklung des Platzverweises, insbesondere die Einrichtung des Fachbeirats „Platzverweis“ und die Veröffentlichung einer Handreichung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, ebenso auch die bereits durchgeführten Fortbildungen für Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen und Multiplikatoren und Multiplikatorinnen anderer Stellen. Wichtig für die Umsetzung des Gesetzes ist dem LFR die bewusste Fortentwicklung des Platzverweisverfahrens, insbesondere auch die landesweite Intensivierung aller am Platzverweis beteiligten Stellen und Institutionen.“