PRESSEMITTEILUNG

Mehr Gleichstellung von Frauen und Männern wagen

Wahlprogramme für die anstehende Landtagswahl in BW sollten Fortschritte ausweisen

Würde eine Landesregierung auf die Idee kommen, einen Landtagswahltermin auf den stark von Demonstrationen geprägten 1. Mai zu legen? Der Widerstand zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen gegen die Bestimmung des Internationalen Frauentags am 08. März 2026 zum gleichzeitigen Wahltag in BW war jedoch erfolglos: Der Wahltermin wurde von der Landesregierung auf diesen Internationalen Protesttag gelegt.

Es ging in den zahlreichen Widersprüchen, unter anderem auch des Landesfrauenrats Baden-Württemberg (LFR BW) darum, die zahlreichen Veranstaltungen und Kundgebungen, insbesondere auf öffentlichen Plätzen in Städten und Kommunen, zu ermöglichen. Aufgrund der Neutralitätspflicht der Verwaltung sowie der Gleichstellungsbeauftragten und der unzulässigen Wahlbeeinflussung rund um die städtischen Wahllokale werden solche öffentlichen Veranstaltungen vor und am 8. März 2026 nicht oder nur massiv eingeschränkt genehmigt werden und somit kaum stattfinden. Viele Ehrenamtliche, die als Wahlhelferinnen und Wahlhelfer eingespannt sein werden, könnten an Veranstaltungen ebenfalls nicht teilnehmen. Wie die Landesregierung davon sprechen kann, dass die Veranstaltungen des Frauentags „erfahrungsgemäß (…) vom gesteigerten Wähler- und Publikumsverkehr profitieren“ würden und von „positiven Synergieeffekten“, obwohl noch nie am 8. März gewählt wurde, bliebe unklar, stellt Verena Hahn, Zweite Vorsitzende des LFR BW heraus: Die Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag würden aus oben genannten Gründen gar nicht stattfinden, der Aufwand lohne sich aufgrund der Beschränkungen nicht. Der Wahlkampf, gerade auch aufgrund der Neuwahl eines/einer Ministerpräsidentin, würde den Aktionstag der Frauen in der Praxis aushebeln und legt vielmehr die Interpretation einer Missachtung des Internationalen Frauentags und der damit verbundenen Proteste nahe.

Den LFR BW treibt insbesondere um, dass die Entwicklungen sich nicht in Richtung Gleichstellung von Frauen und Männern bewegen, sondern in Deutschland und der Welt Bewegungen hin zu hierarchischem Denken und ungleicher Machtverteilung zwischen den Geschlechtern zu verzeichnen sind. Daher hat der LFR BW bereits die ersten Forderungen für die Landtagswahl zusammengestellt, die zeigen werden, ob die Parteien in ihren Wahlprogrammen Ernst mit der Gleichstellung von Frauen und Männern machen werden:

  1. Erstellung und Umsetzung der Ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie: Dies wird nur gelingen, wenn das Ressortdenken aufgebrochen wird und die Verantwortung dieser elementaren Querschnittsaufgabe beim Staatsministerium angesiedelt, eingefordert und nachverfolgt wird.
  2. Umsetzung des Gewalthilfegesetzes in BW: Es sind die Einstellung von Haushaltsmitteln zur Abdeckung der Bedarfe einzuplanen und zivilgesellschaftliche Fachorganisationen in die Planungen zur Umsetzung des Gesetzes einzubeziehen. Prävention gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ist stärker in den Fokus zu rücken. Auch hier muss eine ressortübergreifende Kooperation zwischen Innen-, Justiz-, Sozial- und Kultusministerium gewährleistet werden.
  3. Novellierung des ChancenG (Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst und den Gleichstellungsbeauftragten im kommunalen Bereich): Die Novellierung ist entsprechend den 16 Handlungsempfehlungen der Evaluation des ChancenG‘s aus dem Januar 2022 umzusetzen. Sie würde die Gleichstellung in Baden-Württemberg nicht nur stärken, sondern vor massiven Rückschritten bewahren.
  4. Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung zu Schwangerschaftsabbrüchen in BW: Im Sinne der Schwangeren ist eine flächendeckende Versorgung angesichts der existentiellen Notlagen, in der sich Schwangere befinden können, sicherzustellen. Sie würde auch als Rückenstärkung für das medizinische Fachpersonal fungieren.
  5. Strategien gegen Antifeminismus und Rechtspopulismus in BW: Die Zunahme der Forderungen nach angeblich „einfachen“ Lösungen oder Ignoranz gegenüber komplexen Missständen in der Gleichstellung sind alarmierend. Aggressionen, Feindseligkeiten und Gewalt gegenüber Frauen destabilisieren die Demokratie, denn die privat erfahrbare Abwertung prägt automatisch die politische Ordnung: Das Private ist politisch, das Politische ist privat.
  6. Einführung des Nordischen Modells, zur Eindämmung der Missstände im System Prostitution, der Zwangsprostitution und des Menschenhandels: Das Nordische Modell beinhaltet ein Sexkaufverbot und Verbot von Zuhälterei und Bordellbetrieben. Menschen, die sich prostituieren, werden nicht kriminalisiert. Integraler Bestandteil des Nordischen Modells sind Ausstiegshilfen und gesellschaftliche Aufklärung über konsensuale (einvernehmliche) Sexualität.