2011: Stellungnahme des Landesfrauenrats Baden-Württemberg zum Bericht der Projektgruppe Gesundheitsberichterstattung (Sozialministerium BW)

„Unter Bezugnahme auf die grundlegenden Ausführungen in der Stellungnahme des Landesfrauenrats Baden-Württemberg zur Konzeption „Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg“ (Februar 2009) bitten wir, folgende Hinweise des Landesfrauenrates in den Entwurf des Abschlussberichts der Projektgruppe Gesundheitsberichterstattung mit auf zu nehmen:
Erforderlich ist grundsätzlich ein geschlechterdifferenzierender Ansatz in der Gesundheitsberichterstattung.
Frauen und Männer unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Krankheiten und gesundheitlichen Einschränkungen, nehmen den eigenen Körper in verschiedener Weise wahr und differieren hinsichtlich ihres Gesundheitsverhaltens, z.B. bezüglich der Vorsorge.
Besondere Gefährdungen resultieren für Frauen jedoch auch aus gesellschaftlichen Rollenzuweisungen und spezifischen Situationen in Arbeitswelt und Familie. Die Frauengesundheitsforschung fordert eine Blickweise, die Unterschiede in Gesundheit und Krankheit zwischen den Geschlechtern angemessen berücksichtigt.

Dem trug etwa der Gender Datenreport des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend durch ein eigenes Kapitel zum „Gesundheitsstatus und Gesundheitsrisiken von Frauen und Männern“ Rechnung (2005). Auch im Koalitionsvertrag der Landesregierung Baden-Württemberg (2011) findet die Erkenntnis „Frauen sind anders, Männer auch“ ihren Niederschlag:
„Wir wollen dafür sorgen, dass Angehörige aller Gesundheitsberufe in ihren Aus- und Fortbildungen für geschlechtsspezifische Unterschiede bei Krankheiten sensibilisiert werden. Zur Unterstützung dieser Ziele setzen wir uns u.a. für eine stärkere Verankerung der geschlechterdifferenzierten Medizin an den Fakultäten ein. In Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und den Fraueninitiativen im Land werden wir Strategien entwickeln, wie die unabhängige Beratung von Frauen in Gesundheitsfragen optimal gewährleistet werden kann.“

Beim im Bericht der Arbeitsgruppe Gesundheitsberichterstattung gewählten Beispiel des Diabetes Mellitus wird die fehlende Genderperspektive besonders deutlich:
Männer und Frauen, die an Diabetes leiden, kämpfen mit unterschiedlichen Folgen und brauchen unterschiedliche Angebote in ihrer Rehabilitation und Nachsorge. Nach einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover und der Klinik Niederrhein in Bad Neuenahr-Ahrweiler zeigten sich Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowohl in ihrer körperlichen als auch seelischen und sozialen Situation. Frauen hatten unter anderem stärker mit Fettleibigkeit (Adipositas) zu kämpfen als die männlichen Diabetiker. Angst und Depressivität ließen eine deutlich höhere psychosoziale Belastung der Diabetikerinnen erkennen. Die Frauen sahen sich häufig von der Behandlung und der Mehrfachbelastung durch Arbeit, Haushalt und pflegebedürftige Angehörige überfordert. (siehe z.B. unter: Medizinische Hochschule Hannover, Presseinformation 12. 07. 2011)

Bei der – auch vom Landesfrauenrat sehr begrüßten – Stärkung des Präventionsgedankens, insbesondere bei den im Entwurf angesprochenen Maßnahmen zur Veränderung des Lebensstils, ist eine Beachtung vorhandenen geschlechtsspezifischen Gesundheitsverhaltens unerlässlich.
Im Bereich der Kindergesundheit etwa wirkt sich die innerfamiliäre Arbeitsteilung unmittelbar aus, etwa wenn es um die Beschaffung und Zubereitung von Nahrungsmitteln geht und das familiäre Ernährungsverhalten.

Darüber hinaus bitten wir um eine geschlechtergerechte Sprache in den Empfehlungen. Tipps gibt u.a. das Merkblatt des Ministeriums für Arbeit und Soziales (2009).“