2005: Zum Entwurf des Chancengleichheitsgesetzes Baden-Württemberg

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg nahm am 2. Juni 2005 im Rahmen der schriftlichen Anhörung der Landesregierung zum Entwurf des Chancengleichheitsgesetzes Stellung. Das Chancengleichheitsgesetz löste das Landesgleichberechtigungsgesetz ab.

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg begrüßt grundsätzlich, dass der Prozess um die Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes wieder in Gang gekommen ist. Seit dem In-Kraft-Treten des Landesgleichberechtigungsgesetzes, dessen Kernstück das Frauenfördergesetz (FG) ist, am 1. Januar 1996 hat der Landesfrauenrat dessen Umsetzung kritisch begleitet. Kritikpunkte waren der eingeschränkte Geltungsbereich des Gesetzes, die unzureichende gesetzliche Ausgestaltung und tatsächliche Umsetzung des Aufgabenbereichs der Frauenvertreterinnen und der Ansprechpartnerinnen in Behörden unter 50 Beschäftigten, die fehlenden Sanktionen bei einer mangelnden Umsetzung des Gesetzes durch die Verantwortlichen der Dienststellen etwa bei der Erstellung und Erfüllung der Frauenförderpläne usw.
Hinsichtlich des Geltungsbereichs des Gesetzes werden durch den jetzt vorgelegten Entwurf keine Änderungen eintreten. Der Landesfrauenrat begrüßt aber den seit dem 1. Januar 2005 geltenden § 19a FG, jetzt § 23 E-ChancenG, in dem die Verwirklichung des Verfassungsgebots der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch als Aufgabe der Kommunen definiert wird und diese verpflichtet werden, diese Aufgabe auch wahrzunehmen. Allerdings findet § 23 E-ChancenG keine Entsprechung in § 24 E-ChancenG, in welchem weiterhin die Erstellung von Chancengleichheitsplänen – ChGP -(nach geltendem Gesetz Frauenförderpläne -FFP -) durch die Kommunen und weiteren dort genannten Stellen weiterhin nur ein Soll- und keine Pflichtaufgabe ist.Der Landesfrauenrat fordert die Erstellung von ChGP auch für die in § 24 E-ChancenG genannten Stellen zur Pflichtaufgabe zu machen. Die im E-ChancenG enthaltenen Vorschriften zu den Chancengleichheitsplänen entwerten aus der Sicht des Landesfrauenrats dieses wichtige Instrument einer chancengerechten Personalplanung.
Bisher muss der FFP eine Bestandsaufnahme und Analyse der Beschäftigtenstruktur seines jeweiligen Geltungsbereichs sowie eine Aufstellung der zu erwartenden personellen Veränderungen enthalten. Grundlage hierfür ist eine jährliche Datenerhebung nach Maßgabe das § 5 Abs 1 Satz 2 FG. Nach § 6 Abs.1 E-ChancenG hat der ChGP eine Bestandaufnahme und eine beschreibende Auswertung der Beschäftigtenstruktur seines jeweiligen Geltungsbereichs zu enthalten und es ist darzustellen, in welchen Bereichen Frauen unterrepräsentiert sind. Hierfür sind nur noch alle fünf Jahre (!) die erforderlichen Daten zu erheben. Damit sind sie für eine chancengerechte Personalplanung nicht aktuell und damit unergiebig. Das Argument, es werde durch die Verlängerung der Fristen Verwaltungsarbeit eingespart, überzeugt angesichts der Tatsache, dass vorhandene Daten nur angepasst werden müssen und hierfür moderne Technologie zur Verfügung steht, nicht. Der Landesfrauenrat fordert daher eine zeitnahe Fortschreibung der ChGP (jährlich, allenfalls alle zwei Jahre).
Im E-ChancenG nicht mehr enthalten ist auch die Vorschrift, wonach der FFP genaue Zeit-und Zielvorgaben enthalten muss zur deutlichen Erhöhung des Anteils der Frauen bei Einstellung und Beförderung in Bereichen, in denen Frauen geringer repräsentiert sind (§ 5 Abs 3 FG). Die in § 6 Abs 2 E-ChancenG enthaltene verpflichtende Zielvorgabe des ChGP, mindestens die Hälfte der durch Einstellung zu besetzenden Stellen in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zur Besetzung durch Frauen vorzusehen, ist als solche begrüßenswert.
Der Landesfrauenrat fordert aber eine Ergänzung des § 6 Abs. 2 E-ChancenG durch eine entsprechende Zielvorgabe auch bei den Beförderungen (wie bisher § 5 Abs. 3 FG) und eine verpflichtende Zeitvorgabe.
Bei der Feststellung der Erfüllung der Zielvorgaben des ChGP durch die Dienststelle ist die Frist auch von zwei auf drei Jahre verlängert worden. Unzureichende Erstellung und /oder Umsetzung des ChGP führen weiterhin zu keinen Sanktionen. Der Referentenentwurf vom 16.12.2002 sah in § 21 Abs. 5 immerhin vor, dass die Beauftragten für Chancengleichheit der obersten Landesbehörden die Schlichtungsstelle anrufen können, wenn die Dienststelle Rechte der Beauftragten für Chancengleichheit verletzt oder die Dienststelle einen den Vorschriften des Gesetzes nicht entsprechenden ChGP aufgestellt hat. § 21 Abs 5 des Referentenentwurfs vom 16.12.2002 ist auch in den nun vorliegenden E-ChancenG aufzunehmen.
Der Landesfrauenrat bedauert, dass der im FG gesetzlich vorgesehene Frauenbericht Baden-Württemberg, der eine Bestandaufnahme und Bilanz der Umsetzung der vorgesehenen Frauenfördermaßnahmen und eine Zielbestimmung sowie eine Übersicht über die Besetzung leitender Funktionen im Dienst des Landes Baden-Württemberg enthalten und fünf Jahre nach In-Kraft-Treten des FG erstattet werden sollte, seinerzeit nicht vorgelegt wurde. Der an seine Stelle tretende „Bilanzbericht“ des § 25 E-ChancenG vermeidet ohne nachvoll-ziehbaren Grund in seiner Bezeichnung den unmittelbaren Bezug zur Frauenförderung und muss auch keine Zielbestimmung mehr enthalten.In Bezug auf die Frauenvertreterinnen, künftig Beauftragte für Chancengleichheit, begrüßt der Landesfrauenrat die Vereinfachung des Wahl- und Bestellungsverfahrens.
Begrüßt werden auch die Grundsätze für die Zusammenarbeit mit der Dienststelle, insbesondere § 20 Abs. 1 E-ChancenG, wonach die Dienststellenleitung zu Beginn der Amtszeit der Beauftragten für Chancengleichheit im Einvernehmen mit der Beauftragten für Chancengleichheit die näheren Einzelheiten der Zusammenarbeit festlegt.
Diese Festlegung der Zusammenarbeit sollte aus der Sicht des Landesfrauenrats aber unbedingt schriftlich erfolgen und dementsprechend so gesetzlich vorgesehen werden.
§ 9 Abs. 3 E-ChancenG eröffnet der Beauftragten für Chancengleichheit zwar die Teilnahme an Vorstellungs- und sonstigen Personalauswahlgesprächen, entwertet aber ihre Fachkompetenz, wenn gleichzeitig bestimmt wird, dass sie dann kein Teilnahmerecht hat, wenn an der Personalauswahlentscheidung mindestens eine weibliche Person beteiligt ist. Letztere Klausel muss daher entfallen. (ebenso in § 23 Abs. 2 Nr. 2 E-ChancenG.)
Der Landesfrauenrat bedauert, dass der E-ChancenG wiederum keine Vorschriften zu den Rechten und Pflichten der Ansprechpartnerinnen enthält. Angesichts der Schwelle von 50 Beschäftigten pro Dienststelle, welche eine Frauenvertreterin bestellen darf, übersteigt die Anzahl der Ansprechpartnerinnen die Zahl der Frauenvertreterinnen bei weitem.
Nach dem Zwischenbericht des Sozialministeriums von April 1999 standen damals 1000 Frauenvertreterinnen 4266 Ansprechpartnerinnen gegenüber.Zusammenfassend stellt der Landesfrauenrat fest, dass im vorliegenden E-ChancenG unbestreitbaren Verbesserungen (vgl. §§ 2, 4, 8 Abs. 2 Satz 2, 9 Abs 3, 10 Abs. 3 E-ChancenG) unerfüllte Reformwünsche und auch Rückschritte insbesondere in Bezug auf die Ausgestaltung der ChGP als Instrument chancengerechter Personalplanung gegenüberstehen.