KOMMUNALWAHL 2019 im Blick: Frauen auf die Listen!

Der Landesfrauenrat engagiert sich seit seiner Gründung für mehr Frauen in der Kommunalpolitik.

Zahlenreihen Baden-Württemberg (Daten über den Frauenanteil werden seit 1984 erhoben)
Frauen in Gemeinderäten:
1984: 9,5 %, 1989: 13,2 %, 1994: 17,5 %, 1999: 18,6 %, 2004: 21,3 %, 2009: 22 %, 2014: 23,9 %, 2019???
Frauen in Kreistagen:  1984: 6,1 %, 1989: 9,0%, 1994: 13,1 %, 1999: 14,0 %, 2004: 15,4 %, 2009: 16 %, 2014: 18,9 %, 2019???
Eine genauere Auswertung finden Sie hier.

Bericht zum Fachtag am 4. Mai 2018 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart „Gleich dabei! Frauen gestalten Kommunalpolitik“

Im Anschluss an die Delegiertenversammlung des Landesfrauenrates am 4. Mai 2018 fand der Fachtag mit vielen kommunalpolitisch interessierten und engagierten Frauen im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt. Der Landesfrauenrat engagiert sich seit seiner Gründung für mehr Frauen in der Kommunalpolitik und die im nächsten Jahr anstehende Kommunalwahl bot einen gewichtigen Anlass, um mit dieser öffentlichen Veranstaltung auf die immer noch viel zu geringen Vertretungen von Frauen in der Kommunalpolitik aufmerksam zu machen: sei es in den Gemeinderäten (2014 betrug der Frauenanteil 23,9 %) oder in den Kreistagen (2014: 18,9 %).

Charlotte Schneidewind-Hartnagel, die Erste Vorsitzende des Landesfrauenrates, begrüßte die anwesenden Gäste und Referentinnen und bedankte sich für Ihr Kommen. Sie betonte in Ihrem Grußwort die immense Wichtigkeit der Kommunalwahlen, da Wähler*innen hierdurch die Möglichkeit haben, Politik an ihrem Wohnort und in ihrer Region mit zu bestimmen. Diese „kleine“ Politik vor Ort ist grundlegend für die Bedingungen, unter denen unser Alltagsleben stattfindet.

Leider hat fast die Hälfte der 1101 Gemeinderäte in Baden-Württemberg auch nach der Kommunalwahl 2014 im Höchstfall drei weibliche Gemeinderatsmitglieder!

Charlotte Schneidewind-Hartnagel hob hervor, dass der Landesfrauenrat – als politische Lobby der Frauen im Land – die Weiterentwicklung des Kommunalwahlrechts hin zu einem Paritätsgesetz sehr begrüßt und auf der vorhergegangenen Delegiertenversammlung durch zwei einstimmig beschlossene Anträge fordert.

Den Impulsvortrag für den Fachtag hielt Sabine Schlager (Referentin für Kommunalpolitik der Kommunalpolitischen Vereinigung GAR) zum Thema:

„Frauen in der Kommunalpolitik in Baden-Württemberg – eine kritische Bestandaufnahme“ und zeigte in ihrer Präsentation teilweise ernüchternde Zahlen und Fakten.

  • In 22 Kommunen wurde der Gemeinderat 2014 zur Frauenfreien Zone
  • In 20 von 35 Kreisen liegt der Anteil der Frauen unter den durchschnittlich 18,9 %
  • In 12 Landkreisen liegt der Frauenanteil unter 15%

Als Fazit zum Ende ihres Vortrags machte Sabine Schlager ganz deutlich:

„Es ist noch so manch eine Nuss zu knacken bis Frauen den Anteil an Macht, Einfluss, Ämtern und Mandaten innehaben, der ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht“. Aber „Je mehr Kandidatinnen – desto mehr Gewählte!“ Die Power-Point-Präsentation von Sabine Schlager finden Sie zum Download hier: SCHLAGER_Frauen in der Kommunalpoitik in Baden-Württemberg_

 

Beispiele guter Praxis, wie Frauen miteinander ihre Präsenz in der Kommunalpolitik wirksam erhöhen können, stellten dann im Anschluss Frauen aus den Fraueninitiativen BoRa – Landkreise Bodenseekreis und Ravensburg (http://www.bora-frauenpolitik.de) und FRIDA – Landkreis Böblingen (http://www.frida-frauenpolitik.de) vor. Ihr Ziel ist jeweils, einen Frauenanteil von 50% in den politischen Gremien zu erreichen.

Als erste begannen die Frauen vom Netzwerk „BoRa Frauenpolitik“ ihre Arbeit und Veranstaltungsangebote vorzustellen. Alle an Kommunalpolitik interessierten Frauen sind regelmäßig herzlich eingeladen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Dem Netzwerk geht es parteiübergreifend und überregional darum, mehr Frauen für die politische Teilhabe zu gewinnen. Als engagierte Ansprechpartnerinnen  unterstützen sie aktiv ein Mitwirken in der Kommunalpolitik. Sie wollen eine kulturelle Veränderung bewirken und die Rolle „Politische Frau“ etablieren.

 

Daraufhin stellte sich die Initiative „FRIDA. Frauen in die Parlamente! Eine Initiative im Landkreis Böblingen“ vor.

Diese Initiative richtet sich an Frauen, die sich für und in der Kommunalpolitik engagieren und an Männer, die die „Chancengleichheit in der Politik“ unterstützen wollen. Anhand zahlreicher Beispiele illustrierten die Frauen ihre Arbeit und Veranstaltungen, die zum Mitmachen, Netzwerken und Zusammenhalten auffordern und ermutigen. Die politisch aktiven Frauen aus dem Landkreis Böblingen setzen sich parteiübergreifend dafür ein, mehr Frauen für die kommunalen Gremien zu gewinnen. Sie sind aktiv als Gemeinderätinnen, Kreisrätinnen, Regionalrätinnen, Bürgermeisterinnen, im Vorstand einer Organisation, einer Partei oder als Gleichstellungsbeauftragte und wollen darüber aufklären, wie Kommunalpolitik geht.

 

 

 

 

 

Auch im Landkreis Ulm gibt es einen bei der Gleichstellungsbeauftragten angesiedelten Arbeitskreis mit dem Titel: „Mehr Frauen in den Gemeinderat“. Hinweise hierzu finden Sie unter: (http://www.ulm.de/sixcms/media.php/29/vh%20FB%20Flyer%20Frauen%20Gemeinderat%20HS%20%202018%2020%20Uhr.pdf)

Nach reger Diskussion und intensivem Austausch verabschiedete Charlotte Schneidewind-Hartnagel alle Anwesenden und wünschte eine gute Heimreise.

(Fotodokumentation: Rotraud Mack, LFR Vorstand)

 

Für ein PARITE-GESETZ für Baden-Württemberg

Im Mai 2012 startete der LFR die Kampagne „Halbe Kraft reicht nicht!“ Änderung des Kommunalwahlrechts – Parität jetzt! Die Forderung: Je 50 Prozent Frauen und Männer nach Reißverschlussprinzip auf Kandidaten- und Kandidatinnenlisten (Beschluss der LFR-Delegiertenversammlung vom November 2006). Mit einer Gesetzesänderung (wie beim Paritégesetz in Frankreich) würde die strukturelle Voraussetzung geschaffen, den Frauenanteil tatsächlich merklich zu erhöhen. Über Postkarten und die eigens eingerichtete Website http://www.halbe-kraft-reicht-nicht.de/ wurden seit Mai 2012 Unterschriften gesammelt.
Das aufgrund dieses öffentlichen Drucks im Mai 2013 geänderte Kommunalwahlgesetz Baden-Württemberg enthält aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken der Regierungs-Koalition nur eine Soll-Bestimmung zur paritätischen Besetzung von Kandidierenden-Listen. Eine sanktionenlose Soll-Bestimmung wird nicht den nötigen Biss entfalten, um eine wesentliche Erhöhung – und die „kritische Masse“ – der Vertretung von Frauenzu erreichen. So die Einschätzung des LFR, die durch die  Ergebnisse der Kommunalwahl 2014 bestätigt wird.
„Volle Kraft voraus!“ – lautete das Motto  mit Blick auf die Kommunalwahl 2014. Der LFR stellte für örtliche Aktionen Postkarten und Plakatmotive mit Eindruck-Möglichkeit zum kostenlosen Download bereit.

 

Wirksamkeit der Soll-Bestimmung zur paritätischen Besetzung von Kandidaturlisten untersuchen – Berichtspflicht einführen!

Der Landesfrauenrat hat die Umsetzung der Soll-Regelung § 9 (6) Kommunalwahlgesetz selbstverständlich aufmerksam begleitet, d.h. die Umsetzung angemahnt, Transparenz eingefordert, Antworten der entsprechenden Stellen und unsere Kommentare dazu veröffentlicht.  Dass die Wirkung neuer gesetzlicher Bestimmungen sorgfältig ausgewertet werden muss, sollte sich von selbst verstehen. Sicherheitshalber hat dennoch der LFR im Februar 2014 das Statistische Landesamt und die Landeswahlleiterin angeschrieben: „Für eine Daten-basierte Einschätzung der tatsächlichen Wirkung der neuen Soll-Vorschrift aus § 9 Kommunalwahlgesetz halten wir eine Datenerfassung für erforderlich, die genauere Auskünfte ermöglicht als die bisher veröffentlichten Wahlstatistiken.“
Anfang Februar 2014 hatten wir zudem die Landesgeschäftsstellen der Parteien bzw. der Freien Wähler nach einem Zwischenstand zur Anwendung der Soll-Vorschrift aus § 9 Kommunalwahlgesetz gefragt. (Es gab spärliche Antworten – siehe Publikation Seite 17 f)
Mit Schreiben vom 8. April 2014 erfolgte die abschließende Antwort des Statistischen Landesamtes: eine „Lieferung, Erfassung und Auswertung“ der gewünschten Daten  sei grundsätzlich möglich, allerdings in Anbetracht der Kürze der Zeit offenbar zu aufwendig. Abschließend werden wir ermuntert, das Statistische Landesamt „in dieser Sache im Vorfeld der Kommunalwahlen 2019 (möglichst bis Anfang 2017) erneut zu kontaktieren.“
Wir meinen: Seit Mai 2013 hätte die Landesregierung durchaus veranlassen können, dass die zuständigen Ämter die Voraussetzungen für entsprechende Auswertungen schaffen. Unsere Enttäuschung und unseren Zorn haben deutlich ausgedrückt (und auch darüber informiert, siehe z.B. diese LFR- Publikation)

Wie weiter?

Datenauswertung um Umsetzung/Wirkung der Soll-Regelung im Kommunalwahlgesetz
– Parteien und WählerInnenvereinigungen müssten schon aus Eigeninteresse an einer sorgfältigen Auswertung interessiert sein – und sollten diese vornehmen und veröffentlichen.
– Zeitnahe Durchführung einer repräsentativen Untersuchungen zu den Wirkungen der Soll-Regelung und zu den Bedingungen, wie Kandidaturen von mehr Frauen erfolgreich befördert werden.

Schaffung wirksamer Gesetze!
Das Thema Kommunalwahlrecht – verbindliche Quoten für Kandidaturlisten – muss erneut auf die Tagesordnung. Eine gesetzliche Quotierung der Kandidaturlisten ist unabdingbar, damit es zu einer nennenswerten Steigerung des Frauenanteils in den Räten kommt. Wir fordern ein Paritätsgesetz für Baden-Württemberg. Eine Soll-Bestimmung – noch dazu ohne jegliche Sanktion – ist Papier.
Wenn dazu das Grundgesetz geändert werden muss, muss die Politik in diese Richtung gehen.

1994 – 2014: 20 Jahre Art 3 Abs 2 GG – 20 Jahre Engagement des LFR für Parität in Kommunalparlamenten

20 Jahre Engagement des Landesfrauenrats für Parität dokumentiert die aktuelle Publikation des Landesfrauenrats Baden-Württemberg. Die Zusammenstellung belegt die Kontinuität des Mühens in Richtung auf unser Ziel: die Parität von Frauen und Männern in den politischen Entscheidungsgremien in Kommunen und in Landkreisen. Das Heft eignet sich auch als Hilfestellung zum Erinnern und Weitermachen.  (Denn manchmal, so scheint es, reicht das historische Gedächtnis nur über den Zeitraum einer Legislaturperiode …) Um die “Kritische Masse” zu erreichen müssen wir kritisch bleiben.  Gedruckt liegt die Dokumentation ab Ende Oktober vor, zum Herunterladen gibt es sie hier:  2014-Doku-Kommunalwahlrecht-web