ELISABETH ZUNDEL
LEBENSDATEN
05.10.1874 – 27.07.1957
Anwältin der Schwachen
ERINNERUNGSORT
Gedenktafel am Elisabeth-Zundel-Haus, Färberstr. 1, 72764 Reutlingen
Elisabeth Zundel wurde am 5. Oktober 1874 in Stuttgart-Heslach geboren. Die ausgebildete Lehrerin kam 1903 nach Reutlingen und unterrichtete Mädchen an der Gartentorschule. Gemeinsam mit Laura Schradin kämpfte sie für das Frauenwahlrecht und für eine bessere Bildung für Mädchen.
Die beiden SPD-Mitglieder nahmen 1907 an der 1. Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen in Stuttgart teil, wo sie Rosa Luxemburg und Clara Zetkin kennenlernten. Zetkin, die damals in Stuttgart-Sillenbuch wohnte, kam auch mehrmals als Rednerin zu Veranstaltungen in die Bundeshalle nach Reutlingen.
Im März 1911 organisierten Zundel und Schradin einen ersten „Frauentag“ in Reutlingen. Beide wurden 1919 in den Gemeinderat gewählt, nach dem Ausscheiden von Schradin 1925 war Zundel bis 1933 die einzige Frau im Reutlinger Kommunalparlament. 1921 gründete Elisabeth Zundel die Reutlinger Ortsgruppe der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und leitete sie bis 1933. Sie setzte sich besonders für Menschen ein, die Unterstützung brauchen. U.a. organisierte sie Spendensammlungen für Kinder in Not und richtete eine Nähstube, eine „Warenbörse“ und eine Schuhtauschstelle ein.
Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurden die AWO und die SPD verboten und Zundel zwangspensioniert. Innerhalb nur weniger Monate hatte sie ihr soziales, politisches und berufliches Wirkungsfeld verloren. Während des Nationalsozialismus lebte sie zurückgezogen in ihrem Haus in der Schlegelstraße 31, nun auch Treffpunkt für politisch Andersdenkende. Nach 1945 setzte Elisabeth Zundel ihr soziales Engagement bis in hohe Alter fort. Am 27. Juli 1957 ist sie, 82 Jahre alt, im Städtischen Altersheim in der Ringelbachstraße gestorben.
In den folgenden Jahrzehnten ist die Erinnerung an ihr politisches und soziales Wirken viel zu schnell aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden. Erst mit der Eröffnung des Elisabeth-Zundel-Hauses in der Färberstraße 1 ist ihr Name aus der Vergessenheit wieder ins öffentliche Licht gerückt und erinnert heute an die Gründerin und langjährige Leiterin der Reutlinger AWO, eine herausragende Vertreterin der Frauen- und Arbeiterbewegung in Reutlingen.