Anna Ziegler

Es klingt fast wie ein Märchen: Anna Wilhelmine Ziegler, am 10. Juni 1882 in bescheidene Verhältnisse hineingeboren, wurde mit 37 Jahren als erste und einzige Frau in den Heilbronner Gemeinderat gewählt. Ein Jahr später zog sie in den Berliner Reichstag ein. Die Tochter eines Rotgerbers besuchte zunächst die Volksschule in Backnang. Anschließend verdiente sie als Dienstmädchen ihren Lebensunterhalt in Frankfurt am Main.

Im Jahr 1905 heiratete sie den überzeugten Sozialdemokraten Hans Ziegler. Ein Jahr später trat Anna Ziegler selbst in die SPD ein. Nach ihrer Hochzeit schien der Weg für sie vorgezeichnet: Anna Ziegler wurde Hausfrau und kümmerte sich um die Tochter, die ihr Mann mit in die Ehe gebracht hat. Hans Ziegler zog 1911 als Geschäftsführer des Metallarbeiterverbandes mit seiner Familie nach Heilbronn. Anna Ziegler hatte keine eigenen Kinder und engagierte sich zunehmend in der Politik. Als Kandidatin für die USPD trat sie bei der Gemeinderatswahl 1919 an und wurde als einzige von 14 Frauen in das Gremium gewählt. Ein Jahr später war sie eine von 37 Frauen, die in den Reichstag gewählt wurden.

In der Kommunalpolitik zeigte sich die „Ratsmutter“ nicht – wie von den männlichen Kollegen erwartet – nachgiebig und harmoniestiftend, sondern vertrat ihre Meinung selbstbewusst und scheute keine Auseinandersetzung. Aus dem Heilbronner Gemeinderat schied sie 1924 aus. Nach der Scheidung von Hans Ziegler ging sie nach Leipzig, kehrte 1938 in ihre Geburtsstadt Backnang zurück. Am 27. Dezember 1942 starb Anna Strauß – sie hatte in den letzten Lebensjahren wieder ihren Geburtsnamen angenommen – in Schwäbisch Hall.

Als das Frauenwahlrecht 2019 seinen 100. Geburtstag feierte, nahm der Heilbronner Frauenrat dies zum Anlass, eine Petition für eine Anna-Ziegler-Straße in Heilbronn zu starten. Schließlich wurde 2022 eine stark frequentierte Rad- und Fußgängerbrücke über dem Altneckar zwischen Badstraße und Wertwiesenpark auf den Namen der Politikerin Anna Ziegler getauft.