JOHANNA GEISSMAR
LEBENSDATEN
07.12.1877 – 14.08.1942
Ärztin, sozial tätige Frau, „Engel von Gurs“
ERINNERUNGSORT
Hochfirstweg 26, 79853 Lenzkirch-Saig
Johanna Geissmar wird am 7. Dezember 1877 in Mannheim geboren. Sie ist das jüngste der sechs Kinder des Mannheimer Rechtsanwaltes Josef Geissmar und dessen Frau Klara. Johanna besucht die Höhere Töchterschule und unterstützt ihre Mutter tatkräftig im Haushalt. Ein Studium steht für die junge Mannheimerin zunächst außer Frage; bis 1900 nehmen deutsche Universitäten keine Frauen auf.
Als an der Heidelberger Universität zum Jahrhundertwechsel erstmals Frauen zugelassen werden, holt Johanna nach dem Tod ihres Vaters ihr Abitur am humanistischen Gymnasium in Baden-Baden nach und immatrikuliert sich 1909 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg für Medizin. Sie schließt ihr Studium 1915 mit dem Titel Dr. med. erfolgreich ab, arbeitet danach –infolge des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs – als Ärztin in einem Heidelberger Lazarett.
Nach dem Kriegsende eröffnet Johanna Geissmar eine Kinderarztpraxis in Heidelberg. Die Popularität ihrer Familie, insbesondere ihres Bruders und Landgerichtsrats Jakob, bescheren ihr einen großen Patientinnenstamm. Mit Machtübernahme der Nationalsozialisten lässt dieser Zustrom allerdings nach; die nazistische Gauleitung in Baden-Baden ruft zum Boykott u.a. sämtlicher jüdischer Ärztinnen und Ärzte auf. Kurze Zeit darauf wird den Betroffenen die Zulassung zur Kassenarztpraxis entzogen – so im April 1933 auch Dr. Johanna Geissmar.
Johanna zieht nach Saig in den Schwarzwald zu ihrem Bruder Friedrich. Schikanen, Denunziationen und besonders die tätlichen Angriffe in der „Reichspogromnacht“ 1938 verschlimmern die Situation. Weder ihre Freundin Erika noch die bekennende Kirche kann sie schützen. Ihr Bruder Friedrich nimmt sich noch im Schwarzwald vor Beginn der Massendeportationen das Leben. Johanna wird im Oktober 1940 von der Gestapo festgenommen und in das Lager von Gurs in Südfrankreich deportiert. Dort praktiziert Johanna im Rahmen ihrer Möglichkeiten als Ärztin im Frauenlager.
Im August 1942 wird Johanna in das KZ Auschwitz-Birkenau transportiert. Ihr Name steht ursprünglich nicht auf der Liste; es wird angenommen, dass sie sich freiwillig meldet, um weiterhin für ihre Patientinnen da zu sein und darauf hofft, in Auschwitz ihres Bruder Jakob sowie dessen Frau zu finden. Als Todestag wird Johannas Ankunftstag in Auschwitz-Birkenau festgehalten, der 14. August 1942.
Von Johannas Geschwistern überlebt niemand. Jakob und seine Frau Elisabeth, nach denen Johanna in Auschwitz suchen wollte, werden 1942 in Theresienstadt ermordet.